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  • AutorenbildTed Mönnig

Viel mehr als ein Fußmarsch


Heute möchte ich Euch von einem Kinobesuch erzählen. Gewiss bin ich kein Filmkritiker und erhebe auch nicht den Anspruch, einer zu werden. Die Geschichte, von der ich das Glück hatte, sie erzählt zu bekommen, war eher von zufälliger Auswahl, sozusagen eine Nebenrolle zwischen all den angepriesenen Erscheinungen, die die Massen in die Säle locken. Und beileibe keine Massenware.


Der Streifen ist unter dem Titel „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ auf das deutsche Kinopublikum losgelassen worden, was wortwörtlich der Übersetzung des englischen Originaltitels entspricht. Mir gibt vor allem das Wort „unwahrscheinlich“ bis jetzt Rätsel auf. Dazu später mehr.


Die bloße Handlung wiederzugeben wäre plump. Erzählt wird eine Geschichte über Dinge des Lebens, bei denen wir uns fragen, ob wir sie wirklich brauchen, so lange bis wir sie loslassen, weil eine Situation eintritt, bei der wir loslassen müssen. Eine Geschichte über das Zusammensein von Menschen, die eigentlich einsam sind, auch wenn sie zusammen in einem Haus leben. Eine Geschichte vom Alleinsein, das sich nach dem Aufbruch sogar wie eine Befreiung anfühlt. Eine Geschichte über Begegnungen mit sonderbaren Menschen, die sich unter normalen Umständen niemals kennengelernt hätten. Eine Geschichte von der Wirkung, die die Hände einer Mutter haben und vom stummen Schmerz eines Vaters, der glaubt, im vielleicht wichtigsten Moment versagt zu haben. In dieser berührenden Geschichte geht es um den Tod und das Leben gleichermaßen, so dicht beieinander, dass sie sich gegenseitig bedingen. Der schönste Teil der Geschichte erzählt von wundersamen Lichtreflexen und ihrem Spiel im Gesicht der Menschen.


Was jedoch ist so unwahrscheinlich daran, dass ein älterer, eher unscheinbarer Herr sich ebenso spontan wie unvorbereitet auf einen Fußmarsch von mehr als fünfhundert Meilen quer durch England macht, um ein Versprechen einzulösen? Sicher ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass jemand von uns es Harold gleichtun würde. Schließlich läuft in unserer Zeit niemand mehr einfach so los. Aber haben wir nicht alle schon einmal davon geträumt, unseren Alltag hinter uns zu lassen und den Blick auf neue Horizonte zu richten? Hat nicht jede Urlaubsreise etwas von einem Aufbruch zu anderen Ufern – zumal wir nach einer oder zwei Wochen eher widerwillig in unseren alten Trott zurück kehren? Für mich jedenfalls ist Harolds Pilgerreise gar nicht so unwahrscheinlich, zumal es nicht nur um die oft so vielbeschworene Selbstfindung geht, sondern um eine edle Absicht: nämlich zu einem Versprechen zu stehen, das man einem nahestehenden Menschen gegeben hat.


Diese ergreifend schlichte Geste der Menschlichkeit macht die Geschichte so besonders.


Jetzt bleibt nur noch die Wahl, Euch den Film anzusehen oder als Kopfkino beim Lesen des gleichnamigen Romans von Rachel Joyce auf Euch wirken zu lassen. Es lohnt sich in jedem Fall.

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